22. April 2020
Corona in Kenia
Interview mit Mattias Eder (AGIAMONDO / Tangaza University College)
Lieber Matthias Eder, was bedeutet der 'lock down' für die Menschen in den armen Stadtvierteln in Nairobi und in den drei besonders betroffenen Distrikten Kilifi, Mombasa und Kwale, die wir von den Exposure-Aufenthalten im Februar diesen Jahres und im Oktober 2018 kennen?
Für die meisten kenianischen Familien sind die derzeitigen Beschränkungen kaum umzusetzen und oft lebensbedrohlich. Viele Auflagen können wegen Armut, Hunger oder Gewalt nicht erfüllt werden. Es gibt eine soziale Spaltung in Kenia, und die (Un-) Möglichkeiten der Isolation unterstreichen diese. Leider kommt es auch von staatlicher Seite zu Polizeibrutalität und Ungleichbehandlung. Kenia als Land der Gegensätze verschärft sich durch Corona noch mehr.
Trotz der prekären wirtschaftlichen Lage und der Bedrohung durch COVID-19 wird viel innerhalb der Familien, Gemeinden oder Nachbarschaft abgefedert. Auch religiöse Akteure bieten viel Halt und Unterstützung, trotzdem kommt es immer wieder zu tragischem Fehlverhalten oder Misinformation durch Geistliche oder Organisationen. Insgesamt verhält sich die kenianische Gesellschaft solidarisch und ist bemüht, sich richtig zu verhalten. Das Potenzial zu einer weitreichenden Katastrophe ist aber gegeben.
Father Innocent Maganya MAfr., Ihr Vorgesetzter und Ihr Kollege Father Adrién Sawadogo unterrichten in verschiedenen Studiengängen und Kursen zum Thema Interreligiöser Dialog. Was bedeutet die Coronakrise für den Lehrbetrieb am Tangaza University College?
Wir haben im IRDIS Team sehr schnell auf komplettes Home Office umgestellt. Falls Unterschriften benötigt werden für Zahlungen oder Dokumente, hinterlegen wir Dinge im Büro und kommen dann abwechselnd. Dazu gibt es viel Emailverkehr, eine Teamgruppe in sozialen Medien und Onlinemeetings. Unsere Arbeit basiert auf Dialog und ist sehr persönlich. Innerhalb des Institutes gelingt Onlinearbeit sehr gut, aber alle öffentlichen Veranstaltungen mussten ersatzlos gestrichen werden. Wir versuchen derzeit, Möglichkeiten für Onlinedialoge und Seminare zu entwickeln, aber die Zielgruppen, religiöse Funktionsträger, Studenten, kirchliche Institutionen, sind entweder selbst in persönlichen Notlagen oder kümmern sich um humanitäre Lösungen in ihren jeweiligen Gemeinden etc.
Warum haben Sie sich entschieden, in der aktuellen Krisensituation nicht in Ihr Heimatland zurückzukehren?
Wir leben in einem privilegierten Teil Nairobis und sind exzellent versorgt. Zurzeit haben wir das Gefühl, dass unsere Situation hier gut berechenbar ist und wir in der Position sind, die ganze Familie gut und ohne große Konfliktfelder isolieren zu können. Noch kommt es in direkter Nähe nicht zu sozialen Unruhen oder einem erhöhten Krankheitsrisiko. Das kann sich ändern und wir sind in Kontakt mit der AGIAMONDO Koordination hier in Kenia und der deutschen Botschaft, um rechtzeitig reagieren zu können.